Wo wird albanisch gesprochen?

English | Shqip Die albanische Sprache (shqip) wird im Südwesten der Balkanhalbinsel, vor allem in der Republik Albanien und in den angrenzenden Ländern, die Teile der ehemaligen jugoslawischen Bundesstaates waren (Kosova, Mazedonien, Montenegro und Serbien), von mehr als sechs Millionen Menschen gesprochen. In Albanien selbst wird die Sprache von der ganzen Bevölkerung von 3.087.159 Einwohnern (Stand: April 2001), einschließlich einigen zweisprachigen ethnischen Minderheiten verwendet. In Kosovo, wo es derzeit keine verlässliche Statistiken gibt, wird das Albanische von beinah der ganzen Bevölkerung von ca. zwei Millionen Menschen, einschließlich einigen zweisprachigen Minderheiten: Bosniaken, Goranen, Türken, Kroaten, Roma und Aschkali, gesprochen. Viele der ethnischen Serben von Kosova (derzeit ca. fünf Prozent der Bevölkerung) haben sich traditionell geweigert albanisch zu lernen und zu sprechen. Diese Einstellung wird sich vermutlich ändern, sobald althergebrachte Feindbilder und ethnische Spannungen überwunden werden. In der Republik Mazedonien leben schätzungsweise über eine halbe Million Sprecher des Albanischen, gleich 25% der Gesamtbevölkerung der Republik. Auch hier sind die demographischen Zahlen nicht ganz zuverlässig. Die albanischsprachige Bevölkerung befindet sich in und um Skopje (Alb. Shkup), wo sie eine nicht unwesentliche Minderheit darstellt, sowie in Kumanova (Mazed. Kumanovo) und vor allem im westlichen Teil der Republik von Tetova (Mazed. Tetovo), Gostivar und Dibra (Mazed. Debar) und in südliche Richtung nach Struga, wo sie die Mehrheit bildet. Eine Minderheit von ca 50.000 Albanern befindet sich auch in Montenegro, vor allem entlang der albanischen Grenze (Ulqin/Ulcinj, Tuz, Gucia/Gusinje). Es gibt auch mindestens 70.000 bis 100.000 Albaner in Südserbien, vor allem im Preshevatal nahe den Grenzen zu Mazedonien und Kosova. In Nordwestgriechenland (Epiros) gibt es um Parga und Igumenica alte Siedlungen von Sprechern des tschamischen Dialekts. Trotz Grenz- verschiebungen und Zwangsumsiedlungen nach Albanien dürfte es hier noch bis 100.000 Albanern geben, zum größten Teil allerdings assimiliert. In Mittelgriechenland lebt die albanische Sprache - hier albanisch Arbërisht und griechisch Arvanitika genannt - in ca. 320 Dörfern fort, in erster Linie in Böotien (vor allem um Levadhia), Süd-Euböa, Attika, Korinth und Nord- Andros. Diese Sprecher sind Nachkommen von albanischen Einwanderer- gruppen, die Mittel- und Südgriechenland im späten Mittelalter besiedelten. Zu ihren derzeitigen Zahlen gibt es keine Statistiken. Diese recht archaische Form des Albanischen ist leider vom Aussterben bedroht. In Süditalien gibt es eine kleine aber wohletablierte albanische Minderheit, die sogenannten Arberesch oder Italo-Albaner. Es sind die Nachkommen von Flüchtlingen, die Albanien nach dem Tod des Skanderbeg im Jahre 1468 verließen. Es handelt sich um eine Gruppe von ca. 90.000 Sprechern, die mehrheitlich in den Bergdörfern von Kosenza in Kalabrien und in der Nähe von Palermo in Sizilien leben. Die Arberesch sprechen einen archaischen Dialekt des Albanischen, der von der Standardsprache auf dem Balkan wesentlich abweicht. Daher ist die Kommunikation mit den Arberesch schwierig, wenn sie der Hochsprache nicht mächtig sind. Altherkömmliche Siedlungen von Albanern befinden sich sporadisch auch in anderen Teilen der Balkanhalbinsel: in Arbanasi, ein Vorort von Zadar an der dalmatinischen Küste, in einigen Dörfern im Sandschak in Serbien, und im bulgarisch-griechisch-türkischen Grenzgebiet, vor allem im bulgarischen Dorf Mandrica. Einige Sprecher befinden sich auch in der Ukraine, vor allem im Gebiet von Melitopol’ und Odessa. Wenig ist geblieben von den damals zahlreichen Albanerkolonien im Osmanischen Reich. Die große albanische Minderheit im Ägypten hat sich aufgelöst, obwohl es noch beträchtliche Zahlen von Albanern in der Türkei gibt (Istanbul, Bursa und sonst wo) sowie, wenn auch weniger zahlreich, in Syrien, vor allem Damaskus. Seit den späten achtziger Jahren in Kosova und seit der Öffnung von Albanien im Jahre 1990-1991 sind viele Albaner von ihren traditionellen Siedlungs- gebieten vor allem nach Griechenland und Italien ausgewandert. Es gibt derzeit auch zahlreiche albanische Emigranten in Westeuropa (Deutschland, Schweiz, Österreich, Skandinavien, London) und Nordamerika (New York, Boston, Detroit, Toronto).

Ursprung und Entwicklung des Albanischen

Das Albanische ist eine indogermanische Sprache, daher mit den meisten Sprachen Europas verwandt. Die Zugehörigkeit des Albanischen zur indo- germanischen Sprachfamilie wurde vom deutschen Sprachwissenschaftler Franz Bopp (1791-1867) schon im Jahre 1854 festgestellt. Gleichzeitig muss hinzugefügt werden, dass das Albanische keine engere genetische Verwandt- schaft mit anderen Sprachen der indogermanischen Familie aufweist. Es handelt sich also um einen Sprachzweig für sich. Trotz der geographischen Nähe zu Griechenland weist das Albanische nur sporadische Kontakte mit dem Altgriechischen auf. Römische Handels- siedlungen an der illyrischen Küste und die anschließende Kolonisierung Albaniens durch die Römer haben dagegen starke Spuren hinterlassen. Entlehnungen aus dem Latein über Jahrhunderte hindurch waren dermaßen massiv, dass sie selbst in die Struktur der Sprache eingriffen. Kulturelle Kontakte mit den Slawen (Bulgaren und Serben) sowie mit den Türken und Italienern haben auch deutliche Spuren in der albanischen Sprache hinter- lassen. Nicht nur im Wortschatz sondern auch in der Morphologie und Syntax weist das Albanische viele Gemeinsamkeiten mit den anderen Balkansprachen auf, sowohl aufgrund der Auswirkung ausgestorbener Substratsprachen auf dem Balkan (Illyrisch, Thrakisch, Dakisch, usw.) wie auch durch Jahrhunderte der Parallelentwicklung. Unter diesen gemeinsamen Sprachmerkmalen sind: der nachgestellte bestimmte Artikel, Zusammenwuchs der Genitiv- und Dativ- endungen, Bildung der Zahlbezeichnungen 11-19 mit der Form “ein auf zehn,” usw., das Fehlen des Infinitivs, und die Bildung der Zukunftform mit dem Verb “wollen.” Ob das Albanische der unmittelbare Nachfolger des Altillyrischen ist, wie heutzutage weit angenommen wird, lässt sich aufgrund der Seltenheit illyrischer Sprachdenkmäler schwer nachweisen.

Kurzbeschreibung der albanischen Sprache

Die albanische Sprache lässt sich in zwei Hauptdialektgruppen gliedern: das Gegische im Norden und das Toskische im Süden. Die ungefähre Grenze zwischen den zwei Dialektgruppen bildet der mittelalbanische Fluss Shkumbin, der durch Elbasan in die Adria fließt. Hier befindet sich eine ca. zehn bis zwanzig kilometerbreite Übergangszone. Das Gegische zeichnet sich durch das Vorhandensein von Nasalvokalen, die Erhaltung eines alten n für toskisch r (z.B., venë “Wein” für tosk. verë; Shqypnia “Albanien” für tosk. Shqipëria) sowie durch einige morphologische Merkmale aus. Es lässt sich weiter in eine nordwestliche (Shkodra und Umgebung), eine nordöstliche (Nordostalbanien und Kosova), eine zentrale (Gebiet zwischen den Flüssen Ishëm und Mat und östlich nach Mazedonien, einschließlich Dibra und Tetova) und eine südliche (Durrës, Tirana) Form gliedern. Das Toskische ist allgemein homogener, kann allerdings in eine nördliche (von Fier bis Vlora an der Küste sowie ganz Südalbanien nördlich der Vjosa), eine labische (südlich der Vjosa bis Saranda) und eine tschamische (Südspitze von Albanien bis in das nordwestliche Griechenland hinein) Form aufgeteilt werden. Die derzeitige Literatursprache (gjuha letrare), die während des Orthographie- kongresses von Tirana am 20-25. November 1972 ins Leben gerufen wurde, umfasst beide Dialekte, allerdings zu ca. 80% das Toskische. Sie wird nun weitgehend als Standardsprache in Albanien, Kosova und sonst wo angenommen, obgleich sich in den letzten Jahren zunehmend Bestrebungen feststellen lassen, das Gegische als Literatursprache wiederzubeleben. In seiner Struktur ist das Albanische eine synthetische Sprache. Substantive werden durch Geschlecht, Zahl, Bestimmtheit und Kasus gekennzeichnet. Die überwiegende Mehrheit der Substantiven sind männlich oder weiblich. Selten geworden sind sachliche (neutrale) Nomina, die zunehmend in der Einzahl als männlich und in der Mehrzahl als weiblich fungieren. Wie in den meisten europäischen Sprachen kommen albanische Nomina in der Einzahl und Mehrzahl vor. Es gibt ca. 100 Arten der Pluralbildung, u.a. durch Nachsilben, Umlaut, auslautende Konsonantänderungen und Kombination davon. Das Nominalsystem weist fünf Fälle auf: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ und Ablativ. Die Genitiv- und Dativendungen sind stets gleich. Attributiv- genitive werden mit den vorangegangenen Nomina durch Verbindungspartikel verbunden: i, e, and , die oft die Endung des vorangegangen Wortes widerspiegeln, etwa: bulevardi i qytetit “der Boulevard der Stadt,” bukuria e bulevardit të qytetit “die Schönheit des Boulevards der Stadt.” Bestimmtheit bei Nomina zeichnet sich durch die Anwesenheit des nachgestellten Artikels. Die Nominaldeklination hat daher zwei Reihen von Endungen: bestimmte und unbestimmte. Die meisten Adjektiven werden den Nomina nachgestellt, entweder unmittelbar oder mit Hilfe einer Verbindungspartikel, z.B. djali nervoz “der aufgeregte Junge,” aber djali i vogël “der kleine Junge.” Das albanische Verbalsystem weist folgende Kategorien auf: drei Personen, zwei Numeri, zehn Tempi, zwei Geni und sechs Modi. Ungewöhnlich unter den Modi ist das Admirativ, das zum Ausdruck von Bewunderung verwendet wird, etwa: bie shi “es regnet,” rënka shi “es regnet ja!” Robert Elsie
Robert Elsie Die albanische Sprache